Ernährungspsychologie,  Ernährungswissen

Was bedeutet intuitives Essen?

„Ach komm, die zwei Gabeln schaffst du auch noch!“. So oder so ähnlich klingen viele Sätze, die Kinder beim Essen hören. Nicht selten sind diese der Anfang vom Ende des Essens nach Bauchgefühl. Denn durch solche Regeln verlernen wir mit der Zeit auf die Signale unseres Körpers nach Hunger und Sättigung zu hören.

Wie wird unsere Nahrungsaufnahme reguliert?

Hunger und Sättigung werden sehr genau durch hormonell gesteuerte Prozesse geregelt. Sie vermitteln uns, wann wir satt sind und wann unser Körper wieder neue Energie für lebenswichtige Funktionen benötigt. Auch die Magenwand hilft bei der Regulierung der Sättigung. Durch ihre Dehnung werden Nervenreize an unser Gehirn weitergeleitet, die eine weitere Nahrungsaufnahme stoppen. Diese faszinierende Intelligenz des Körpers besitzen wir von Anfang an. Wer schon einmal versucht hat, ein sattes Baby zu füttern, weiß sicherlich wovon ich spreche. Das Baby wird die Nahrungsaufnahme verweigern. Oder die nicht benötigte Energie wieder nach draußen befördern. Babys sind also ein Paradebeispiel für intuitives Essen.

Was bedeutet intuitives Essen?

Beim intuitiven Essen geht es darum, das Hunger- und Sättigungsgefühl bewusst wahrzunehmen. Gegessen wird immer nur, wenn körperlicher Hunger verspürt wird. Und die Mahlzeit wird beendet, wenn man angenehm satt ist. Egal, ob nur noch eine Erbse auf dem Teller liegt.

Gerade bei Kindern ist die Mahlzeitengröße phasenweise sehr unterschiedlich. So kann das gleiche Kind sich mal nach einem halben Apfel sehr satt fühlen. Und wenige Tage später die gesamte Packung Fischstäbchen auffuttern. Beides ist völlig in Ordnung. Es zeigt, dass das Kind sehr gut seine körperlichen Bedürfnisse spürt und darauf hört. Für Eltern ist dies oft schwer nachvollziehbar. Aber ich kann versichern:

Es gibt keine ernährungswissenschaftlich begründete Portionsgröße,

die zur Sättigung oder guten Entwicklung notwendig wäre!

Dennoch treibt die Sorge um das Wohlbefinden und die Gesundheit der Kinder Eltern oft zu einer dogmatischen Ernährungserziehung mit zahlreichen Regeln. Darunter fallen Regeln wie „Ohne essen geht es nicht aus dem Haus“ oder „Der Rosenkohl wird gegessen, sonst gibt es keinen Nachtisch“. Zugrunde liegt hier meist die Furcht, das Kind könnte sich nicht gut entwickeln, wenn es zu wenig isst. Wenn dagegen die Angst vor Übergewicht dominiert, werden bestimmte Lebensmittel verboten oder ab einer gewissen Uhrzeit nichts mehr gegessen. Die meisten dieser Regeln kennen wir noch aus unserer eigenen Kindheit. Und manche von uns haben genau durch diese ein gestörtes Essverhalten entwickelt. Wir hören nicht mehr auf die Bedürfnisse des Körpers, sondern essen aus rationalen oder noch wesentlich häufiger emotionalen Gründen. Nach einem stressigen Tag gönnen wir uns dann eben die Tafel Schokolade. Oder auch zwei. Obwohl wir den gesamten Tag über „standhaft“ geblieben sind. Die Folge ist nicht selten Übergewicht. Neben dem „Wann“ gegessen wird spielt hier auch noch die Frage „Was“ gegessen wird eine große Rolle. Der Begriff der somatischen Intelligenz wurde vom Ökotrophologen Thomas Frankenbach geprägt. Er beschreibt die Fähigkeit unseres Körpers mit spezifischen Signalen zu vermitteln, welche Lebensmittel und Getränke uns guttun und was uns möglicherweise schaden könnte1. Wenn wir uns krank fühlen, haben wir zum Beispiel in den allermeisten Fällen nicht das Bedürfnis auf eine riesengroße Portion Schnitzel mit Pommes. Tee und vielleicht ein bisschen Zwieback hören sich dagegen viel bekömmlicher an. Aber auch wenn wir uns fit fühlen variieren unsere Bedürfnisse und die körperliche Reaktion auf unsere Nahrung von Mensch zu Mensch sehr stark. So fanden die Forscher um Zeevi in einer groß angelegten Studie heraus, dass sich der Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr identischer Mahlzeiten individuell variiert. Bei manchen Probanden stieg dieser nach dem Konsum von zuckerhaltigem Eis, während bei anderen der Blutzuckerspiegel nur durch stärkehaltiges Reis anstieg2. Ellis und Kollegen konnten nachweisen, dass das Antioxidans Lycopin trotz gleicher Mengen Wassermelone in unterschiedlicher Konzentration im Blut vorkam3. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die körperliche Antwort auf das, was wir zu uns nehmen, einzigartig ist. Schluss folglich kann es eben nicht die eine Ernährung geben, die für alle Menschen gleichermaßen gesundheitsförderlich ist.

Jeder Mensch is(s)t anders und hat somit individuelle Bedürfnisse was,

wann und wie viel gegessen wird!

Was bedeutet das nun für uns Eltern?

In erster Linie dürfen wir der Körperintelligenz unserer Kinder vertrauen. Ist ihr Gespür für ihre Bedürfnisse intakt, kommunizieren Kinder uns was und wie viel sie zum Essen und Trinken brauchen. Als Eltern müssen wir lediglich akzeptieren, was uns das Kind vermittelt. Heißt das nun Süßigkeiten bis der Arzt kommt? Natürlich nicht. Denn Kinder, die auf ihre körperlichen Signale hören, werden eben nicht den ganzen Tag nur Süßigkeiten essen. Es gibt aber durchaus Kinder, die diese Signale bereits nicht mehr wahrnehmen können. Sie folgen den ihnen auferlegten Regeln oder Essen aus emotionalen Gründen. Ein Anzeichen für emotionales Essen kann zum Beispiel das heimliche oder das übermäßige Essen von Süßigkeiten sein.

Was kann ich tun, wenn mein Kind nicht mehr intuitiv isst?

Ziel ist das Wiedererlernen von Hunger- und Sättigung. Dabei ist es hilfreich mit dem Kind zu besprechen, wie es sich vor und auch nach der Mahlzeit fühlt. Haben Eltern das Gefühl, dass der Schokoriegel nur aus Langeweile gegessen werden will, können wir hier sehr wohl dem Kind spiegeln, welche Motive wir hinter dem Wunsch vermuten. Beharrt das Kind aber auf das Essen, wird es sicherlich Hunger verspüren. Auch das Nachspüren nach einer Mahlzeit hilft die Signale des Körpers wieder vermehrt zu erkennen. Ist noch Platz im Bauch und das Kind hat noch etwas Hunger? Oder hat das Kind doch mehr gegessen als nötig und der Bauch drückt vielleicht schon unangenehm?

Fragen an dein Kind, die euch helfen können:

  • Wie groß ist dein Hunger?
  • Ist in deinem Bauch noch Platz?
  • Auf einer Skala von 1 bis 10, wie groß ist dein Hunger?
  • Hast du vielleicht gerade einfach nur Langeweile?
  • Wie geht es deinem Bauch?
  • Hat dir das Essen gutgetan?
  • Drückt dein Bauch?

Literatur:

  1. Thomas Frankenbach: Somatische Intelligenz – Hören, was der Körper braucht. KOHA Verlag (10 April 2014)
  2. Zeevi D. et al. Personalized Nutrition by Prediction of Glycemic Responses. Cell. 2015 Nov 19;163(5):1079-1094. doi: 10.1016/j.cell.2015.11.001.
  3. Ellis A. et al. Watermelon Juice: a Novel Functional Food to Increase Circulating Lycopene in Older Adult Women. Plant Foods Hum Nutr. 2019 Jun;74(2):200-203. doi: 10.1007/s11130-019-00719-9.

Hey, ich bin Sonja. Schön, dass du da bist! Ich bin hier der Ernährungsnerd, denn das große Feld der Ernährung fand ich schon immer spannend. Also hab ich das Ganze kurzerhand studiert, immer weiter vertieft und noch ein wenig Ernährungspsychologie on top gesetzt.

Kommentar verfassen