Intuitive eating FAQs
Woran merke ich, dass mein Kind wirklich hungrig ist?
Hungrige Kinder signalisieren in der Regel sehr stark, dass sie jetzt etwas zu essen benötigen und lassen sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Beobachte dein Kind. So kannst du mit der Zeit sehr gut feststellen, ob es sich wirklich um körperlichen Hunger handelt. Oder ob es einen Impuls von außen gab, wie etwa das Eis, welches von einem vorbeigehenden Kind gegessen wurde.
Darf ich auch mal „Nein“ sagen?
Du merkst, dass dein Kind aus emotionalen Gründen, wie Trauer oder Langeweile, oder einem äußeren Anlass etwas essen möchte. Damit dies nicht zum gewohnten Muster wird, ist der erste Impuls oft „Nein“ zu sagen. Neinsagen ist durchaus in Ordnung. Aber nicht immer ist dies der Schlüssel zur Lösung. Denn dein Kind braucht, aus welchen Gründen auch immer, gerade ein Ventil. Prinzipiell hast du nun zwei Möglichkeiten. Zum einen kannst du das Kind frei entscheiden lassen und später mit dem Kind reflektieren, welche Bedürfnisse du hinter dem Essenswunsch vermutet hast. Ihr könnt dann zusammen für zukünftige Szenarien überlegen, wie ihr Vorgehen könnt. Zum anderen kannst du in der Situation dem Kind deine Gedanken mitteilen. Ist das Kind kooperativ, suche das Gespräch oder biete Alternativen an.
Sollte ich Süßigkeiten sichtbar zu Hause haben?
Ich bin nicht dafür, Süßigkeiten immer präsent in Sichtweite der Kinder zu haben. Dein Kind und bestimmt auch du würden sicherlich das ein oder andere Mal unbewusst, ohne Hunger zugreifen. Süßigkeiten sind super in einer Schublade aufgehoben, die aber nicht abgeschlossen werden muss. Denn weggesperrte Dinge üben einen großen Reiz aus und sind somit viel öfter im Kopf präsent als nötig.
Wird mein Kind unkontrolliert essen, wenn ich auf intuitives Essen umstelle?
Diese Frage ist nicht pauschal zu beantworten. Wenn dein Kind bisher immer sehr viele Regeln beim Essen hatte und viel kontrolliert wurde, wird es wahrscheinlich in den ersten Tagen und vielleicht sogar Wochen einiges nachholen. Das mag erst einmal sehr unkontrolliert wirken und dich möglicherweise verunsichern. Außerdem kann es sehr gut sein, dass das Kind anfängt, dich zu testen und gerade vor dir besonders viele Süßigkeiten zu essen. Dein Kind möchte auf diese Weise herausfinden, ob du dich wirklich nicht in seine Ernährung einmischst. Dies meist eine Phase, die von allein vorübergeht.
Isst das Kind allerdings weiterhin sehr unkontrolliert und du hast das Gefühl, dass es eben nicht nur dann essen möchte, wenn es hungrig ist, liegen vielleicht emotionale Bedürfnisse zugrunde. Hier macht es Sinn, gemeinsam mit dem Kind genauer hinzuschauen und die Ursache zu besprechen.
Ist emotionales Essen schlimm?
Generell mag ich die Einteilung in richtig und falsch nicht. Vor allem nicht beim Essen. Also kurzum: Nein, das ist es nicht. Und glaubt mir, jeder von uns isst aus emotionalen Gründen. Wirklich jeder. Denn beim essen geht es eben nicht nur ums satt werden, sondern auch um die Befriedigung sozialer Bedürfnisse. Auch Kindheitserinnerungen werden bei bestimmten Gerichten geweckt. Gerüche so mancher Mahlzeiten können ein Wohlgefühl in uns auslösen. Stellt euch nur den liebevoll gebackenen Geburtstagskuchen vor. Und manchmal greifen wir auch zu bestimmten Lebensmitteln, um negative Gefühle runterzuschlucken. Auch das darf mal sein. Versucht es nicht zur Regelmäßigkeit werden zu lassen, damit sich kein Muster verfestigt.
Wenn alle intuitiv essen, gibt es denn dann überhaupt noch gemeinsame Familienmahlzeiten?
Unbedingt sollte es weiterhin Familienmahlzeiten geben. Der Fokus sollte aber vor allem auf die gemeinsame Zeit gerichtet werden und nicht auf darauf, was und wie viel dein Kind isst. Der Familientisch ist nicht nur ein Ort, an dem Kinder satt werden, sondern vielmehr ein Lern- und Erlebnisort. Sie können sich orientieren, was anderen gut schmeckt und so neue Lebensmittel und Geschmäcker kennenlernen. Und fernab vom Essen ist hier endlich mal Zeit, um über die Erlebnisse des Tages zu sprechen oder Pläne zu schmieden.
Muss ich jetzt für jeden etwas Eigenes kochen?
Nein, das musst du nicht. Viele Kinder möchten mit neuen Lebensmitteln oder Mahlzeiten erst ein paar Mal in Kontakt kommen, bevor sie probieren oder sie als schmackhaft einordnen. Daher macht es durchaus Sinn, Mahlzeiten, die ihr gern esst, immer wieder zu aufzutischen. Gerade wenn andere Familienmitglieder, aber auch Freunde diese gern essen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass dein Kind diese Mahlzeiten als positiv einstuft und zugreift. Dennoch sollte ein Liebling des Kindes immer mit auf den Tisch. So kann es auf dieses zurückgreifen, wenn es eben nicht von der Familienmahlzeit kosten möchte.
Ich ärgere mich, wenn mein Kind den Teller nicht leer ist, obwohl es sich selbst genommen hat!
Die Augen sind manchmal größer als der Magen. Insbesondere Kinder können oftmals nicht gut einschätzen, wie groß ihr Hunger tatsächlich ist und nehmen sich mitunter viel mehr als sie wirklich zum Satt werden benötigen. Erkläre deinem Kind doch, warum du möchtest, dass es sich erst einmal eine kleinere Portion nehmen soll. Auf keinen Fall aber solltest du als Konsequenz das Kind zum Aufessen zwingen.
Kinder sollten zu einer Mahlzeit nichts trinken!
Ein Mythos, den auch ich noch aus Kindheitstagen kenne. Es gibt aber keinen Grund warum Kinder nicht auch beim Essen trinken sollten. Dies kann sogar sehr sinnvoll sein, denn oft nehmen Kinder im Laufe des Tages nur wenig Flüssigkeit zu sich. Deshalb gehört ein Getränk zu jeder Mahlzeit unbedingt dazu.
Ich habe gehört Zucker kann süchtig machen!
Wir haben von Natur aus ein Bedürfnis nach süßen und fettigen Speisen. Am liebsten haben wir sogar die Kombination aus beidem. Wir bekommen diese Präferenz quasi mit der süß-fettigen Muttermilch oder der entsprechenden Ersatznahrung eingeflößt. Nun kommt das große Aber: Würde uns Zucker tatsächlich süchtig machen, würden Babys nie aufhören zu trinken oder ständig mehr verlangen. Wir wissen aber aus Erfahrung, dass Babys durchaus satt werden und bei zu viel Nahrung diese gern wieder nach draußen befördern.
Richtig ist, dass uns Nahrung ein Glücksgefühl gibt. Ein durchaus sinnvoller Überlebenstrick, da wir sonst möglicherweise vor der Spielekonsole (oder sonst wo) verhungern würden. Dieses Glücksgefühl bekommen wir aber nicht nur durch Süßes und Fettiges. Wir können uns darauf verlassen, dass unser Körper ganz instinktiv nach einer ausgewogenen Mischung verschiedener Lebensmittel verlangt.
Was ebenfalls stimmt, ist, dass wir uns häufig mit Süßem, wie Eis, und süß-fettigen Speisen, wie Schokolade, belohnen und in Stresssituationen gern hierauf zurückgreifen. Wir trainieren uns also den Hang zu den vermeintlich ungesunden Speisen regelrecht an. Dahinter verbirgt sich dann aber keine körperliche Abhängigkeit, wie sie beim Drogenkonsum entsteht. Wir könnten ohne Probleme von heute auf morgen auf Eis, Kuchen und Chips verzichten, ohne dabei negative körperliche Reaktionen zu spüren. Was bei einem solchen Verzicht meist zum Vorschein kommt, ist die nicht zu unterschätzende psychische „Abhängigkeit“. Diese entsteht, wenn wir es gelernt haben, unliebsame Gefühle mit Essen zu kompensieren.
Auch wenn Zucker gern als Droge dargestellt wird, konnte bislang noch keine einzige Studie zweifelsfrei eine süchtig machende Wirkung von diesem belegen1.
Ist es also ok, wenn mein Kind ständig die gekauften Süßigkeiten essen möchte?
Spätestens an der Kasse im Supermarkt fallen die bunt verpackten Süßigkeiten ins Auge und die Kinder werden magisch angezogen. Industriell hergestellte Produkte sind tatsächlich so zusammengesetzt, dass wir gern mehr davon wollen. Sie haben oft die perfekte Mischung an Süße und Fett. Gerade deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig, den Umgang mit ihnen zu lernen. Das gelingt am besten, wenn diese nicht als etwas Besonderes behandelt werden.
Großartig sind natürlich selbstgezauberte Süßigkeiten und Desserts. Bei diesen kannst du einerseits sehr gut steuern wie süß die Naschereien werden. So gewöhnt sich dein Kind erst gar nicht an eine intensive Süße. Und zum anderen kannst du auch nährstoffreiche Lebensmittel, wie Gemüse, oder Ballaststoffe, zum Beispiel in Form von Leinsamen, verwenden. Ideen hierfür findest du in unseren Rezepten.
Mein Kind möchte immer nur Fleisch essen. Ist das auch ok?
Es gibt viele Kinder, die gern und viel Fleisch essen. Es ist ja auch eine hervorragende Nährstoffquelle, unter anderem für Proteine. Oftmals bekommen wir Eltern dann den Eindruck, das Kind würde nur noch Fleisch essen wollen. Möglicherweise hat das Kind gerade auch eine Phase, in der es deutlich mehr nach Fleisch verlangt. Schaut man sich im Laufe einer oder zwei Wochen an, was das Kind täglich isst, relativiert sich dieser Eindruck meist. Denn auch hier strebt der Körper nach einer Balance an Nährstoffen und die Kinder essen im Laufe der Zeit auch andere nährstoffreiche Lebensmittel. Unser Ernährungstagebuch kann dir gut helfen, einen Überblick zu bekommen.
Achte am besten darauf, dass das Kind möglichst unverarbeitetes Fleisch aus gutem Anbau und nicht allzu oft stark verarbeitete Fleischprodukte wie Salami verzehrt. Diese enthalten oft sehr viel Nitritpökelsalz, welches in der Tat auf Dauer nicht gut für die Gesundheit ist. Wenn es doch mal Wurstwaren sein sollen, schau doch nach Bioprodukten. Viele Biobetriebe verzichten bei der Herstellung nämlich auf Nitritpökelsalz. Oder biete deinem Kind andere proteinreiche Lebensmittel wie Eier, Kartoffeln, Erbsen oder Joghurt an. Vielleicht braucht es gerade eben diesen Nährstoff und greift auch mal zur fleischfreien Alternative.
Die Ernährungspyramide empfiehlt aber ganz klar, welche Mengen mein Kind verzehren soll. Oder?
Die Ernährungspyramide, auch manchmal Lebensmittelpyramide, wurde von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ins Leben gerufen. Sie ist eine visuelle Ernährungsempfehlung mit entsprechend empfohlenen Mengenverhältnisse der einzelnen Nahrungsmittelgruppen wie Obst und Gemüse, Milchprodukte oder Fleisch. Je weiter unten diese Gruppen angeordnet sind, desto eher werden sie in größeren Mengen empfohlen. In dem nach oben spitzer werdenden Modell sind Nahrungsmittel aufgeführt, die dagegen in geringeren Mengen verzehrt werden sollten. Einen strikten Mahlzeitenplan musst du aber hiervon nicht ableiten. Denn was für viele als ideale Ernährung gilt, muss nicht zwangsläufig das Beste für dein Kind sein. Heute weiß man, dass jeder von uns individuelle Ernährungsbedürfnisse hat. Zudem wird eine ausgewogene Ernährung über mindestens 4 Wochen beobachtet und evaluiert. Wenn heute mal kein Gemüse dabei ist, ist das also kein Problem. Die Ernährungspyramide kann aber gern als Orientierung oder Ideengeber für eine ausgewogene Ernährung herangezogen werden. So kannst du zum Beispiel zu jeder Mahlzeit Kohlenhydrate sowie eine Portion Gemüse und Obst anbieten.
Was sollte ich tun, wenn sich andere in die Ernährung meines Kindes einmischen?
Meine persönlichen Highlights der Sätze, die mein Kind schon gehört hat:
- „Ach da bin ich aber traurig, wenn du nicht noch einen zweiten Teller von meinem Kuchen isst.“,
- „Du hast aber gut gegessen“, bedeutet im Übrigen übersetzt nichts anderes als, das Kind hat viel gegessen und wird dafür gelobt.
- „Wer nicht aufräumt (oder was auch immer), der bekommt keinen Nachtisch“,
- „Wie du möchtest kein Eis?“
Ja, ja. Sie meinen es nur gut. Das ungefragte Kommentieren verdient trotzdem kein Schulterklopfen. Ob du dich einschalten möchtest und dich hinter deinem Kind positionierst, musst du situativ selbst entscheiden. Bei Großeltern zum Beispiel ist es gut das Gespräch in der Situation selbst oder später zu suchen, denn hier wird das Kind auch öfter mal ohne dich zu Besuch sein. Ist dein Kind durch das Gesagte sichtlich verunsichert oder leidet gar darunter, macht es in jedem Fall Sinn, einzugreifen. Hilfreich für dein Kind ist es zudem im Nachhinein über die jeweilige Situation in Ruhe zu reden.
Woran erkenne ich, ob mein Kind einen Nährstfoffmangel hat?
Wenn sich dein Kind ausgewogen ernährt, also über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen auch regelmäßig verschiedene Lebensmittel sowie Gemüse und Obst auf dem Speiseplan stehen, hat dein Kind in der Regel keinen Nährstoffmangel. Sogar bei „schlechten Essern“, also Kindern, die über einen sehr langen Zeitraum nur eine Handvoll Lebensmittel akzeptieren, sind gravierende Mangelerscheinungen eher selten. In der Regel brauchst du dir keine Sorgen machen, wenn dein Kind positive Wachstums- und Gewichtskurven aufzeigt, dein Kind insgesamt zufrieden ist, voller Energie strotzt und eine gesunde Gesichtsfarbe hat. Einen echten Mangel wirst du wahrnehmen, da dein Kind sich zum einen nicht gut entwickelt. Zudem wird es antriebslos, müde und schlapp sein.
Unser Ernährungstagebuch kann dir einen ersten guten Überblick über die Ernährung deines Kindes verschaffen. Es kann dir zeigen, ob sich dein Kind insgesamt ausgewogen ernährt.
Wenn du dir dennoch Sorgen machst, besprich dies bitte mit dem Kinderarzt. Bei einem begründeten Verdacht kann dieser auch bei Kindern ein Blutbild erstellen und so einen möglichen Mangel feststellen.
Wann sollte ich Hilfe von Experten einholen?
Du solltest dir Unterstützung von Experten holen, wenn
- du dir über einen längeren Zeitraum immer wieder Sorgen über das Essverhalten deines Kindes machst und du das Gefühl hast, mit dem Ernährungsverhalten deines Kindes allein nicht fertig zu werden.
- das Kind antriebslos und schlapp wirkt.
- das Kind plötzlich eine sehr blasse Gesichtsfarbe hat und krank wirkt.
- das Kind Essen strikt verweigert.
- du den Eindruck hast, dass sich dein Kind nicht altersgerecht entwickelt.
- das Kind sich durch sein Essverhalten innerhalb der Familie oder im Freundeskreis stark isoliert.
Der Kinderarzt sollte hinzugezogen werden, um körperliche Ursachen auszuschließen. Eine Ernährungsberater*in oder ein Ernährungscoach können anschließend weiterhelfen. Versuchen in der Zwischenzeit so wenig wie möglich in die Ernährung einzugreifen.
Literatur
- Westwater M. L. et al. Sugar addiction: the state of the science. Eur J Nutr. 2016 Nov;55(Suppl 2):55-69.